Tradition

Der Begriff Steinmetz stammt aus dem Galloromanischen, ist also ein Europäischer Begriff. Der Einfachheit halber verwende ich das Wort Steinmetz im folgenden Text für alle Handwerker, die Steine in ihre endgültige Form bringen. Auch wenn jede Zeit und jede Region ihre eigene Benennung für den Beruf des Steinmetzes hat.

Stein als Werkstoff

Der Mensch verwendet das Naturprodukt Stein seit jeher. Er fertigte daraus nützliche Dinge, wie z.B. Waffen, Werkzeuge oder steinerne Wände für Häuser, oder aber kulturelle Dinge, wie Schmuck, Figuren oder Tempelanlagen. Die Verwendung von Stein als Werkzeug findet, bis auf einige wenige Ausnahmen (zum Beispiel Schleifsteine), heute nicht mehr statt. Dies war in der Frühzeit des Menschen jedoch ganz anders. So ist der älteste Nachweis eines vom Vorfahren des Menschen verwendeten Werkzeuges aus Stein, eines Faustkeils, 3,3 Millionen Jahre alt. Allerdings muss man in der Menschheitsgeschichte nicht so weit zurück gehen um zu sehen, dass Steinwerkzeuge eine der Eckpfeiler der menschlichen Entwicklung darstellten. So gibt der Stein sogar einer ganzen Entwicklungsepoche, der Steinzeit, seinen Namen. Mit der Fähigkeit Kupfer, Messing und später auch Stahl zu verhütten und zu bearbeiten, verschwinden Faustkeile, Pfeilspitzen und Steinäxte jedoch langsam aus dem täglichen Gebrauch des Menschen.

Stein und Kultur

Anders sieht es mit der Verwendung von Stein als Träger des kulturellen Schaffens aus. So ist die Venus von Willensdorf eine circa 11cm grosse Figur einer Frau, vor etwa 30’000 Jahren geschaffen worden. Und auch heute werden Kunstwerke in Stein gehauen, auch wenn er als Werkstoff unter Künstlern nicht mehr so beliebt ist wie zu Berninis Zeiten. Als Baumaterial war und ist Stein ein wichtiger Träger der kulturellen Entwicklung der Menschheit.

Venus von Willensdorf
(Quelle: Wikipedia)
Göbekli Tepe (Quelle: Wikipedia)

Seit der Zeit der ersten Siedlungen wurden Steine zum Bau von Häusern und Tempelanlagen verwendet. Eines der schönsten und ältesten Beispiele solchen kulturellen Schaffens ist die alte Siedlung/Tempel in der Türkei Göbekli Tepe. Diese bis zu 11‘600 Jahre alte Anlage wurde mit einer unglaublichen Präzision und handwerklichem Können gebaut.

Stein als Zeitzeuge

Die Liste der Kunstwerke aus Stein, die Zeitzeugen der verschiedensten Kulturen und Epochen sind, ist praktisch unendlich. Besonders wenn man bedenkt, dass vermutlich der grösste Teil davon bis heute unentdeckt unter der Erdoberfläche ruht. Doch man muss nicht graben oder um die halbe Welt fliegen, um Kunstwerke aus Stein zu sehen. Dafür reicht es meistens in die Zentren Europäischer Städte zu gehen. Es gibt in den meisten noch erhaltenen Städte wunderschöne Gebäude, Tempel oder Gotteshäuser die zum Teil oder ganz aus Naturstein gefertigt wurden.

Berner Altstadt

Wir Steinmetze schauen in Europa auf eine lange Tradition im Handwerk zurück. So gibt es noch heute alte Zunftgesellschaften, wie die Affenzunft in Bern oder im weiteren Sinne die Freimaurer die durch Steinmetze gegründet wurden. Steinmetze, haben ganze Städte erbaut und geprägt. Nebenbei hinterliessen unsere Vorgänger ihre ganz persönlichen Spuren im Stein, sei es als Zeichen, spezielle Bearbeitung oder ausgefallene Lösung eines Problems. Unser Handwerk steht für Beständigkeit und Stabilität. Über Jahrtausende hinweg wurden Techniken zur Steinbearbeitung entwickelt, verfeinert und allzu oft auch wieder vergessen. Junge Steinmetz haben die schwierige Aufgabe, dieses grossartige Erbe anzutreten. In einer Zeit, in der es sich niemand mehr leisten kann oder leisten will, Häuser aus Naturstein zu erbauen, gilt es möglichst viel Wissen zu bewahren und an die nächste Generation weiterzugeben. Nur so können wir dafür sorgen das unser Beruf auch in Zukunft existierten wird.